de en
Schliessen
Liz Craft

Between You and Me

Kunstmuseum

Einleitung

Die ka­li­for­ni­sche Künst­le­rin Liz Craft (*1970, Los An­ge­les, CA, USA) schafft Skulp­tu­ren und fi­gu­ra­ti­ve In­stal­la­ti­o­nen, die wie Frag­men­te im Raum ste­hen und von Ge­schich­ten zu er­zäh­len schei­nen, deren träu­me­ri­sche At­mo­sphä­re mit Sur­re­a­lis­mus, Feen­mär­chen oder Dro­gen­hal­lu­zi­na­ti­o­nen in Ver­bin­dung ge­bracht wer­den kann. Ihre For­men­spra­che wirkt un­mit­tel­bar, wobei sich Tech­ni­ken und Ma­te­ri­a­li­en hi­er­a­r­chie­los zu­sam­men­fü­gen und von Stoff, Plas­tik, Glas, Papp­maché bis zu Kunst­ha­rz, Ke­ra­mik oder Bron­ze rei­chen.

Für ihre Kunst schöpft Liz Craft vor allem aus dem Ge­dan­ken­gut der ame­ri­ka­ni­schen Ge­gen­kul­tur der 1960er Jahre, dem Psy­che­de­lis­mus und der Pop­kul­tur. Sie be­dient sich Bild­re­fe­ren­zen aus B-Mo­vies, Wes­tern- oder Hor­ror­fil­men, Co­mics oder der Äs­the­tik der Ku­lis­sen von Ver­gnü­gungs­parks. Immer wie­der hebt die Künst­le­rin Fi­gu­ren wie Hexen, Ein­hör­ner, Mo­tor­rad­fah­rer, Pi­ra­ten oder den Tod aus ihren Kon­tex­ten her­aus und zi­tiert, über­treibt und ver­dich­tet sie in ihren Wer­ken.

Im Ausstel­lungs­raum tre­ten die Werke zu­ein­an­der in Be­zie­hung und wer­den zu Ak­teu­ren eines Büh­nen­stücks. Die Bli­cke ihrer Fi­gu­ren, die Worte und Ges­ten kon­stel­lie­ren sich in jeder Prä­sen­ta­ti­on neu und de­fi­nie­ren eine an­de­re Er­zäh­lung. Die Wands­kulp­tu­ren der Serie Speech Bub­bles, deren Form an Sprech­bla­sen aus Co­mics oder So­fort­nach­rich­ten er­in­nert, schei­nen Ge­sprä­che wie­der­zu­ge­ben, die die Werke un­ter­ein­an­der füh­ren. Als Werk­ti­tel wählt sie schlag­kräf­ti­ge Aus­sa­gen: Suck it Hip­pie! (2017) oder Do You Love Me Now (2019).

Liz Crafts skulp­tu­ra­le Ar­beit hat etwas Aus­ufern­des, wie die Wand­a­r­beit Stran­ge Thing (2018), ein pa­ra­si­tä­rer Or­ga­nis­mus aus elek­tri­schen Schalt­käs­ten und Ka­bel­lei­tun­gen, der sich über die Wände aus­brei­tet und ihre Gren­zen aus­lo­tet. Ihre Werke er­in­nern an jene ka­li­for­ni­sche Re­spekt­lo­sig­keit, die unter dem Be­griff «Too Cool for School» zu­sam­men­ge­fasst wer­den kann. Die Re­de­wen­dung be­schreibt eine At­ti­tü­de, die aus ame­ri­ka­ni­schen Tee­n­a­ger­fil­men stammt und sich auf ein läs­si­ges, aber ar­ro­gan­tes In­di­vi­du­um be­zieht, das sich gerne über Re­geln und so­zi­a­le Codes hin­weg­setzt.

Raum 1

Heart (1-8), 2021Aluminium, Digitaldruck, Stahlkette / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

Heart (1-8), 2021
Aluminium, Digitaldruck, Stahlkette / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

SG Heart (1-8) (2021) zeigt acht Alu­mi­ni­um­her­zen, die Schmuck­an­hän­gern äh­neln, in die man das Foto eines ge­lieb­ten Men­schen hin­ein­schie­ben und die man dann zu­klap­pen kann. Im In­ne­ren be­fin­den sich Fotos von Men­schen, die du mit Filz­stift über­malt und in Zom­bies ver­wan­delt hast. Wie ver­knüpfst du Grau­en und die­ses Sym­bol der Liebe?

LC Es han­delt sich um Po­la­ro­id­fo­tos, die meine Toch­ter ge­macht hat. Ich bat sie, ein paar mehr zu ma­chen und be­schloss dann, diese zu ver­wen­den. Des­halb sagt man: «Ich will das nicht mehr tun …» Mir ge­fie­len sie, weil das Über­ma­len etwas ist, das junge Leute heute auch immer noch ma­chen. Wir alle haben das schon ein­mal auf einem ei­ge­nen Foto oder dem einer an­de­ren Per­son ge­macht.

Raum 2

Love-Hate-Relationship, 2017Bemalte Bronze, gefundenes Fahrrad, Schloss /  courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

Love-Hate-Relationship, 2017
Bemalte Bronze, gefundenes Fahrrad, Schloss / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

SG Die Wand­a­r­beit Stran­ge Thing (2018) be­steht aus einem Schalt­kas­ten und Ka­bel­lei­tun­gen, die sich la­by­rin­thisch über die Wände aus­brei­ten und den üb­li­chen Rah­men spren­gen. Wie wich­tig ist für dich der Ausstel­lungs­raum, in dem du deine Werke zeigst?

LC Ich denke immer noch wie eine In­stal­la­ti­ons­künst­le­rin, auch wenn ich mich im We­sent­li­chen auf Ob­jek­te kon­zen­trie­re. Es gibt viele Ar­bei­ten wie die Sprech­bla­sen und die­je­ni­gen, die du in dei­ner Frage an­ge­spro­chen hast, bei denen das räum­li­che Kon­zept Teil des Werk­kon­zepts ist. Ich mag es, wenn Kunst die Gren­zen der Wirk­lich-keit sprengt.

SG Stran­ge Thing und Sub­way Crea­tu­res (beide 2018) re­fe­ren­zie­ren Ob­jek­te aus der U-Bahn. Was hat dich an die­sen Ele­men­ten in­ter­es­siert?

LC Diese haben sich aus dem Leben in New York und der vie­len Zeit er­ge­ben, die ich in der U-Bahn ver­bracht habe. Mir fiel die ver­al­te­te New Yor­ker In­fra­s­truk­tur auf. Hun­der­te sich sta­peln­der alter Kabel, schicht­wei­se Farbe über­all, ver­al­te­te Si­cher­heits­räu­me, die an die 80er er­in­nern. Das hin­ter­lässt einen star­ken Ein­druck und man muss zwangs­läu­fig an ein Sci­ence-Fic­tion-Buch den­ken. In die­ser Zeit kam ich auch zum Métal Hur­lant*. Auch das waren Kind­heits­er­in­ne­run­gen, die durch mei­nen an­dau­ern­den Auf­ent­halt in den U-Bah­nen wie­der­be­lebt und von mir auf­ge­grif­fen wur­den.

* Métal Hur­lant war ein fran­zö­si­sches Sci­ence-Fic­tion- und Hor­ror-Co­mic­ma­ga­zin mit ei­gen­wil­li­gem Stil, das zwi­schen 1975 und 1987 sowie zwi­schen 2002 und 2006 im Ver­lag Les Hu­ma­noï­des As­so­ciés er­schien.

SG Du hast mir er­zählt, dass deine Ti­sche mit Flie­sen­be­lag so wie Li­ving on the Edge (2016) aus dem Werk Lazy Lady (2014) ent­stan­den. Wie kam es dazu?

LC Ich mach­te zu­erst die recht­e­cki­gen Flie­sen­stü­cke und das führ­te dann zu den Flie­sen­ti­schen. Die Wand­a­r­beit hat aus­ge­se­hen wie eine Tisch­plat­te, also dach­te ich, warum nicht eine Tisch­ver­si­on davon ma­chen? Ich war da­mals nicht ganz glü­ck­lich mit dem Recht­eck, es sah zu sehr nach einem Ge­mäl­de aus. Ich mag es, wenn die Dinge mehr mit dem Leben ver­bun­den sind. Ich fand, dass sich das Recht­eck kon­zep­ti­o­nell ge­se­hen bes­ser als Tisch eig­net. Das ver­an­lass­te mich auch dazu, die Sprech­bla­sen zu ma­chen; mir ge­fiel, dass die Bla­sen auch Men­schen um­schlos­sen, wenn diese in der Nähe stan­den, oder die Ar­chi­tek­tur, bei­spiels­wei­se einen Ein­gang.

SG Für das 2017 ent­stan­de­ne Werk Love-Hate-Re­la­ti­on­ship hast du einen alten Fahr­rad­rah­men an einer gros­sen Pe­niss­kulp­tur an­ge­schlos­sen. Wie kamst du auf diese Kom­bi­na­ti­on?

LC Sie ent­stand aus der Be­ob­ach­tung her­aus. Als wir 2016 nach Ber­lin zogen, fiel mir, wäh­rend ich mit dem Fahr­rad her­um­fuhr, auf, wie viele Pol­ler es dort gibt, mit denen die Au­to­fah­rer*in­nen von den Geh­we­gen fern­ge­hal­ten wer­den sol­len. Diese Me­tall­pfos­ten
sind über­all. Auf­fal­lend waren auch die vie­len ver­las­se­nen Fahr­rad­ge­rip­pe. An allem waren sie fest­ge­bun­den. Ich muss­te also gar nicht viel tun; die Skulp­tur war be­reits da. Es ist ein wun­der­ba­res Ge­fühl, wenn sich etwas so leicht zu­sam­men­fügt. Nicht immer läuft es so ab.

Raum 3

Bubble with Mushrooms, 2022Keramik, Aluminium / Courtesy the artist and Neue alte Brücke, Frankfurt

Bubble with Mushrooms, 2022
Keramik, Aluminium / Courtesy the artist and Neue alte Brücke, Frankfurt

SG In der Ausstel­lung be­geg­nen wir zahl­rei­chen Ar­bei­ten aus dei­ner Serie Speech Bub­bles, deren Form an die Um­rah­mun­gen von Text­ele­men­ten er­in­nert, wie sie in Co­mics oder SMS Ver­wen­dung fin­den. Sie schei­nen sich wie ein Leit­mo­tiv durch deine Ar­bei­ten zu zie­hen. Wel­che Rolle spie­len die Speech Bub­bles für dich und warum keh­ren sie immer wie­der?

LC Ja, sie sind eine An­spie­lung auf Co­mics und Sprech­bla­sen. Mir ge­fällt, dass nicht wirk­lich wich­tig ist, was sich in einer Sprech­bla­se be­fin­det, die Blase kann für sich ste­hen und was darin ist, ist zweit­ran­ging. Ich habe also viel Frei­heit und we­ni­ge Ein­schrän­kun­gen. Ich kann an ihnen wie in einer Art au­to­ma­ti­schem Zei­chen­pro­zess ar­bei­ten. Manch­mal sind sie klug, manch­mal leer, wit­zig oder ab­s­trakt – das spielt keine Rolle.
Das mag ich daran.
Sie er­in­nern mich auch ein wenig an Art­schwa­gers blps, die ich auch gut finde.*

* Ri­chard Art­schwa­gers (1923–2013) blps (aus­ge­spro­chen «blips») waren ein­zig­ar­ti­ge ovale For­men, die der US-ame­ri­ka­ni­sche Künst­ler ab den spä­ten 1960er Jah­ren an ver­schie­de­nen Orten des öf­fent­li­chen Raums, unter an­de­rem in U-Bahn-Sta­ti­o­nen und auf Schorn­stei­nen, plat­zier­te. Seine Ab­sicht war es, die Auf­merk­sam­keit der Öf­fent­lich­keit auf Ober­flä­chen und Struk­tu­ren zu len­ken, die nor­ma­le­r­wei­se un­be­merkt blei­ben.

SG Die Speech Bub­bles sind Sprach­ge­fäs­se, auch wenn du nicht immer Text ein­fügst, son­dern auch Bil­der. Wel­che Be­deu­tung hat Spra­che in dei­ner Ar­beit?

LC Ich ar­bei­te nicht li­ne­ar … Ich glau­be, ich ver­wen­de Spra­che in den Ti­teln und schrei­be oft hier und da klei­ne Dinge hin, weil es wit­zig ist, aber ich be­nut­ze Spra­che nicht, um eine Ar­beit zu er­klä­ren, das si­cher nicht. Man muss kei­nen Wand­text lesen, um einen Zu­gang zu einem Werk zu fin­den. Wenn man mehr er­fah­ren will, kann man sich selbst­ver­ständ­lich in­for­mie­ren, aber ich glau­be, es ist eine sehr vi­su­el­le Ar­beit, die sich ei­gent­lich nicht auf Spra­che stützt. Viel­leicht sind all diese Sprach­be­zü­ge – wie etwa die Sprech­bla­sen – ein­fach nur eine Me­tho­de, um einen Bezug zu den Vor­stel­lun­gen her­zu­stel­len, die die Leute im Kopf haben.

Raum 4

High Leg, 2015Bronze / Private collection, Switzerland

High Leg, 2015
Bronze / Private collection, Switzerland

SG Du zeigst klein­for­ma­ti­ge Skulp­tu­ren ge­mein­sam mit einer Aus­wahl von Fo­to­gra­fi­en. Was ist auf die­ser Aus­wahl zu sehen?

LC Die Fotos sind aus einem Buch, das ich ge­mein­sam mit DoPe Press ge­macht habe: My Life in the Suns­hi­ne. Ich mach­te es wie bei einem Sam­mel­buch, ich druck­te Hun­der­te von Bil­dern aus und ar­ran­gier­te sie am Fuss­bo­den. Ich woll­te ver­su­chen, ein Buch zu ma­chen, das mehr dar­über aus­sagt, wie ich ar­bei­te­te und woher die Ideen kom­men und mit wem ich zu­sam­men bin. Um ein biss­chen mehr Ein­blick darin zu geben, wie Künst­ler*in­nen aus dem Leben her­aus ihre Ar­beit ge­ne­rie­ren. Es war auch eine Ant­wort auf die di­gi­ta­le Welt und Ins­ta­gram.

SG Der Be­griff «Too Cool for School» wurde oft mit dei­ner Ar­beit as­so­zi­iert, seit der Autor Den­nis Cooper dei­nen Namen in sei­nem in den 1990er Jah­ren pu­bli­zier­ten Ar­ti­kel über Kunst­schu­len in LA er­wähn­te. Wie ver­knüpfst du selbst die­sen aus ame­ri­ka­ni­schen Ju­gend­fil­men stam­men­den Aus­spruch mit dei­ner künst­le­ri­schen Ar­beits­wei­se?

LC Das ist ein lus­ti­ger Aus­spruch mit vie­len ver­schie­de­nen Be­deu­tun­gen; sol­che Dinge mag ich na­tür­lich. Er er­in­nert mich auch an einen Ju­gend­film aus den 80ern, ver­mut­lich hat Den­nis ihn des­halb ver­wen­det. Ich glau­be, er war frech und brach­te uns viel Auf­merk­sam­keit ein. Ich weiss nicht, ob er etwas mit mei­ner Ar­beit zu tun hat. Ob ich glau­be, dass ich zu cool bin? Viel­leicht dach­te ich das. Frag meine frü­he­ren Kunst­händ­ler …

SG Du hast an der UCLA (Uni­ver­si­tät von Ka­li­for­ni­en) stu­diert. Die Schu­le war ein pul­sie­ren­des und über­schäu­men­des Zen­trum für Künst­ler*in­nen und die Kunst­sze­ne von Los An­ge­les in den 1990er Jah­ren. Wie be­deu­tend war das schu­li­sche Um­feld für dich als Künst­le­rin?

LC Es war sehr wich­tig; es gab sehr viele gute Künst­ler*in­nen, in­ter­es­san­te Ausstel­lun­gen und Ga­le­ri­en. Wir hat­ten wirk­lich Glück, das ist nicht immer so. Denn es ge­nügt nicht ein­fach nur, dass gute Kunst­schaf­fen­de un­ter­rich­ten, es braucht auch die rich­ti­ge Che­mie, Ver­wal­tung, Kon­kur­renz durch an­de­re Schu­len und unter den Do­zent*in­nen, und na­tür­lich braucht es auch gute Stu­die­ren­de.

Raum 5

4 Clouds with Bottles, 2023Glas, Sand, Spiegel, Farbe, Digitaldruck / Courtesy the artist

4 Clouds with Bottles, 2023
Glas, Sand, Spiegel, Farbe, Digitaldruck / Courtesy the artist

SG 4 Clouds with Bott­les (2023) er­in­nert an das spie­le­ri­sche Kom­bi­nie­ren von Bil­dern im Sur­re­a­lis­mus und ruft un­ter­schied­li­che As­so­zia­ti­o­nen her­vor. Augen, die in die Wolke hin­ein­ra­gen, star­ren be­rauscht in den Ausstel­lungs­raum. Da­ne­ben sehen wir die Ar­beit Bet­ween You and Me III (2018), die der Ausstel­lung ihren Namen gab. Sie be­steht aus zwei Mün­dern, die an­ein­an­der­ge­ket­tet sind, was auf mich zu­gleich ver­gnüg­lich und bru­tal wirkt. Geht es in dei­nen Ar­bei­ten um die Höhen und Tie­fen des mensch­li­chen Da­seins?

LC Das trifft ver­mut­lich zu.

Raum 6

Ms. Pac-Man, 2022Mehrfarbige Glasfaser, Samt, Metall / Courtesy the artist and Centre dʼédition contemporaine, Geneva

Ms. Pac-Man, 2022
Mehrfarbige Glasfaser, Samt, Metall / Courtesy the artist and Centre dʼédition contemporaine, Geneva

SG Du in­ter­es­sierst dich für eine gros­se Viel­falt an vi­su­el­len Be­zü­gen. Was ist der Aus­gangs­punkt, wenn du ein neues Kunst­werk er­schaffst?

LC Als Aus­gangs­punkt ver­wen­de ich ge­fun­de­ne Ob­jek­te, ge­fun­de­ne Bil­der, ge­fun­de­ne Phra­sen … zu­min­dest in der Regel. Dar­ein lasse ich ein­flies­sen, was mich um­gibt oder eine Er­in­ne­rung, die mir im Ge­dächt­nis haf­ten ge­blie­ben ist wie Ms. Pac-Man. Ein an­de­res Mal folge ich ein­fach der frei­en As­so­zia­ti­on, aber ich denke, es gibt eine Art Rah­men, in­ner­halb des­sen ich frei bin, so wie die Sprech­bla­sen.

SG Ms. Pac-Man (2022) ist eine An­samm­lung gel­ber Smi­leys mit of­fen­ste­hen­den Mün­dern und rosa Haarschlei­fen. Die Gri­mas­sen kon­tras­tie­ren mit schwa­r­zen Roben, die die Kör­per nur an­deu­ten und geis­ter­haft im Raum ste­hen. Was hat es mit die­sen Fi­gu­ren auf sich?

LC Ms. Pac-Man ist so ein Bild, das mir im Ge­dächt­nis haf­ten ge­blie­ben ist; es ist so wie ein Smi­ley- und ein Emoji-Ge­sicht … Mir ge­fällt, dass sie ver­rückt aus­se­hen, so als woll­ten sie einen auf­es­sen. Man kann nicht genau sagen, ob sie sehr, sehr glü­ck­lich oder eben durch­ge­knallt sind. Sie er­in­nern mich an die Fi­sche im Aqua­ri­um mei­nes Kin­des. Letz­ten Win­ter habe ich viel Zeit damit ver­bracht, ihnen zu­zu­se­hen.

Videoraum

SG Du hast eine Aus­wahl von Videoar­bei­ten dei­ner Künst­ler­freun­d*in­nen ge­trof­fen, die wir in die­sem Raum sehen kön­nen. Warum hast du dich dafür ent­schie­den, diese Ar­bei­ten zu zei­gen?

LC Ich dach­te, die Vi­de­os von Freun­d*in­nen wären eine schö­ne Er­gän­zung, ähn­lich wie die Sei­ten aus dem Buch, das ich ge­macht habe (Raum 4). Das Buch be­zieht sich auf Freun­de, Fa­mi­lie, Per­so­nen in der Szene, Re­fe­ren­zen usw. Es gibt ein wenig Kon­text; Vi­de­os, die ich mag, Leute, die ich mag.

Raum 7

Querelle, 2016Bronze, Seil / Courtesy the artist

Querelle, 2016
Bronze, Seil / Courtesy the artist

SG Que­rel­le (2016) ist eine Bron­ze-skulp­tur von einem Penis, der sich bild­lich in den Raum «er­giesst». Der Penis ist ein wei­te­res Thema, das häu­fig in dei­ner Ar­beit vor­kommt. Warum ver­wen­dest du ihn als Motiv?

LC Weil es Spass macht.

Raum 8

What Is She Thinking?, 2015Keramik, Aluminium / Fonds cantonal dʼart contemporain, Geneva

What Is She Thinking?, 2015
Keramik, Aluminium / Fonds cantonal dʼart contemporain, Geneva

SG Für deine Skulp­tu­ren ver­wen­dest du Ma­te­ri­a­li­en, die von klas­si­schen Ma­te­ri­a­li­en wie Bron­ze über Ke­ra­mik­flie­sen bis hin zu we­ni­ger halt­ba­ren Kom­po­nen­ten wie Papp­maché oder Ker­zen rei­chen. Manch­mal be­geg­nen einem auch ge­fun­de­ne Ma­te­ri­a­li­en wie Mün­zen oder Teile eines alten Fahr­rads. Wie wählst du deine Ma­te­ri­a­li­en aus?

LC Sie müs­sen ent­we­der kon­zep­ti­o­nell oder aus prak­ti­schen Grün­den «Sinn er­ge­ben». Wenn ich so etwas schein­bar Wi­der­sprüch­li­ches sage, ist das, glau­be ich, für die Men­schen schwer zu ver­ste­hen. Man­che ver­ste­hen es, glau­be ich. Ich habe keine fes­ten Re­geln. Ich mache das, was zum je­wei­li­gen Zeit­punkt und für das Werk not­wen­dig ist.

SG Warum hast du Ke­ra­mik als Ma­te­ri­al für die Speech Bub­bles aus­ge­wählt?

LC Es ist so, als würde ein*e Bild­hau­e­r*in zeich­nen. Und Ton ist das­sel­be Ma­te­ri­al, das ich auch zum For­men der Skulp­tu­ren ver­wen­de, es scheint also na­he­lie­gend.

SG Neben dei­nen grös­se­ren Skulp-turen gibt es auch zahl­rei­che klei­ne­re. Dar­un­ter sind Hände, Ges­ten oder Spin­nen. Wel­che Rolle spielt für dich die Di-men­si­o­na­li­tät dei­ner Skulp­tu­ren?

LC Meis­tens fange ich gross an oder in der Grös­se, die ich mir vor­stel­le, und mache spä­ter eine klei­ne­re Ver­si­on. Ich ar­bei­te rü­ck­wärts, glau­be ich. Ei­ni­ge we­ni­ge be­gin­nen klein, wenn ich faul bin oder kein Geld habe.
Grös­se ist für Bild­hau­e­r*in­nen sehr wich­tig, die Pony-Skulp­tur bei­spiels­wei­se wurde drei­mal ge­macht, um die rich­ti­ge Grös­se für den Kör­per des Ponys zu fin­den.

Raum 9

What Are You Going to Do About It?, 2017 / Go Fuck Yourself, 2017Bronze / Edition 1/3 + II AP / Private collection, UK / Foto: Lea Kunz

What Are You Going to Do About It?, 2017 / Go Fuck Yourself, 2017
Bronze / Edition 1/3 + II AP / Private collection, UK / Foto: Lea Kunz

SG Deine Werk­ti­tel sind lus­tig, präg­nant und bis­sig. Zwei gros­se Skulp­tu­ren bei­spiels­wei­se tre­ten über ihren Titel in Di­a­log mit­ein­an­der. Die eine fragt: What Are You Going to Do About It? (2017) und er­hält von der an­de­ren die tro­ckene Ant­wort: Go Fuck Your­self (2017). Wel­che Rolle räumst du den Ti­teln dei­ner Werke ein?

LC Seit etwa zehn Jah­ren, denke ich, in­ter­es­sie­re ich mich immer mehr für die Titel. Diese Titel pass­ten be­son­ders gut, sie ent­spre­chen genau den Ges­ten der Skulp­tu­ren. Sie sind ein wei­te­rer Be­stand­teil der As­sembla­ge.

SG Wie kommst du auf deine Titel?

LC Die Worte sind so wie alles an­de­re auch, es sind meis­tens ge­fun­de­ne Phra­sen …

Raum 10

Spider Ladies (Maggie II), 2015Pappmaché, Kleidung, Wollfäden, Holz / Courtesy the artist

Spider Ladies (Maggie II), 2015
Pappmaché, Kleidung, Wollfäden, Holz / Courtesy the artist

SG Die Ma­ri­o­net­ten der Spi­der La­dies (2015) sind gro­tesk und un­heim­lich, zu­gleich aber auch sym­pa­thisch und mensch­lich. Der Mensch in der pop­kul­tu­rel­len und ur­ba­nen Um­ge­bung steht im Zen­trum dei­ner Ar­beit. Wir be­geg­nen Hän­den, Ges­ten, Augen, Lip­pen, Brüs­ten und Pe­nis­sen sowie Stim­men. Was in­ter­es­siert dich als Bild­hau­e­rin am mensch­li­chen Kör­per? Und wie kommt es, dass du häu­fig nur ein­zel­ne Ei­gen­schaf­ten her­vor­hebst?

LC Das ist eine gute Frage. Ich mache das ver­mut­lich ein­fach in­tu­i­tiv.
Ich glau­be auch, dass Kör­per­frag­men­te nicht so un­ge­wöhn­lich sind in der Welt.

Raum 11

The Pony, 2004Gebürstetes Aluminium / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

The Pony, 2004
Gebürstetes Aluminium / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

SG Wir be­geg­nen Hexen, Ein­hör­nern, Pi­ra­ten oder einem Aus­ser­ir­di­schen. Was in­ter­es­siert dich an die­sen Fi­gu­ren?

LC Viele der Bil­der stam­men aus der Pop­kul­tur, sie ge­hö­ren nie­man­dem und sind ge­wis­ser­mas­sen er­geb­ni­s­of­fen, denke ich. Das ist wie ein Ma­te­ri­al oder eine Farbe und es setzt eine Be­we­gung oder eine Er­zäh­lung in Gang.

SG The Pony (2004) lotet die Gren­zen des guten Ge­schmacks aus. Ist Kitsch wich­tig für deine Ar­beit?

LC Ja, ich bin eine Stu­den­tin der 90er Jahre und war be­geis­tert von Mike Kelly und Jim Shaw. Ich glau­be, Ge­schmack zu be­nut­zen oder den guten Ge­schmack zu igno­rie­ren, ist Teil der Ar­beit. Das ge­fällt mir auch an Ame­lie von Wull­fens Ar­beit.

Bio

Liz Craft (*1970 in Los An­ge­les, CA, USA, lebt und ar­bei­tet in Ber­lin, DE), stu­dier­te an der Otis Par­sons und der Uni­ver­si­ty of Ca­li­for­nia, Los An­ge­les. 2012 grün­de­te Liz Craft ge­mein­sam mit Pent­ti Mak­ko­nen den un­ab­hän­gi­gen Non-Pro­fit-Raum Pa­ra­di­se Ga­ra­ge, der der Prä­sen­ta­ti­on zeit­ge­nös­si­scher Kunst­pro­jek­te ge­wid­met war und sich in der Ga­ra­ge ihres Hau­ses im ka­li­for­ni­schen Ve­ni­ce be­fand.

Craft hat in­ter­na­ti­o­nal aus­ge­stellt. Ihre Werke be­fin­den sich in der Samm­lung des Whit­ney Mu­se­um of Ame­ri­can Art, New York; des LACMA; des MOCA und des Ham­mer Mu­se­um, Los An­ge­les, und des Mi­gros Mu­se­um für Ge­gen­warts­kunst, Zü­rich.

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Impressum

KU­RA­TOR*IN
Paul-Aymar Morgue d’Algue und  Ste­fa­nie Gschwend

TEAM
Anna Beck-Wör­ner, Re­gi­na Brü­li­sau­er, Ste­fa­nie Gschwend, Chris­ti­an Hör­ler, Chris­ti­an Meier, Clau­dia Reeb, Ma­dlei­na Ru­tis­hau­ser

AUSSTEL­LUNGS­UM­BAU
Chris­ti­an Hör­ler, Chris­ti­an Meier mit Ueli Alder, Ro­swi­tha Gobbo, Do­mi­nik Hull, Ca­ri­na Kirsch, Ni­klaus Ul­mann

BE­SU­CHER*IN­NEN­BE­TREU­UNG
Ra­pha­e­la Böhi, Do­mi­ni­que Fran­ke, Mar­grit Gmün­der, Ro­swi­tha Gobbo, Mar­grit Küng, Ba­r­ba­ra Metz­ger, Cris­ti­na Mosti, Ma­dlei­na Ru­tis­hau­ser, Me­la­nie Scher­rer

TEXT
Ste­fa­nie Gschwend, Paul-Aymar Morgue d’Algue

LEK­TO­RAT
Mi­cha­e­la Alex-Ei­ben­stei­ner

ÜBER­SET­ZUNG
Katja Na­u­mann

COUR­TE­SY
Fotos: Lea Kunz

GRA­FIK
Data-Orbit / Mi­chel Egger, St.Gal­len

DANK
Zora Ber­we­ger, Liz Craft, Paul-Aymar Morgue d’Algue, Paul Ber­nard, Laura Weber, Team Kunst­haus Pas­quart / Cen­tre dʼé­di­ti­on con­tem­po­rai­ne, Genf, Fonds can­to­nal dʼart con­tem­po­rain, Genf, Ga­le­rie Loe­ven­bruck, Paris, MAMCO, Genf, Swana Mourgue dʼAlgue, Neue alte Brü­cke, Frank­furt, Sé­bas­ti­en Pey­ret, FR, Anne Shel­ton Aaron und Leih­ge­ber*in­nen, die nicht na­ment­lich ge­nannt wer­den möch­ten

Liz Craft
Between You and Me
Kunstmuseum
Heart (1-8), 2021Aluminium, Digitaldruck, Stahlkette / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

Heart (1-8), 2021
Aluminium, Digitaldruck, Stahlkette / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

Love-Hate-Relationship, 2017Bemalte Bronze, gefundenes Fahrrad, Schloss /  courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

Love-Hate-Relationship, 2017
Bemalte Bronze, gefundenes Fahrrad, Schloss / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

Bubble with Mushrooms, 2022Keramik, Aluminium / Courtesy the artist and Neue alte Brücke, Frankfurt

Bubble with Mushrooms, 2022
Keramik, Aluminium / Courtesy the artist and Neue alte Brücke, Frankfurt

High Leg, 2015Bronze / Private collection, Switzerland

High Leg, 2015
Bronze / Private collection, Switzerland

4 Clouds with Bottles, 2023Glas, Sand, Spiegel, Farbe, Digitaldruck / Courtesy the artist

4 Clouds with Bottles, 2023
Glas, Sand, Spiegel, Farbe, Digitaldruck / Courtesy the artist

Ms. Pac-Man, 2022Mehrfarbige Glasfaser, Samt, Metall / Courtesy the artist and Centre dʼédition contemporaine, Geneva

Ms. Pac-Man, 2022
Mehrfarbige Glasfaser, Samt, Metall / Courtesy the artist and Centre dʼédition contemporaine, Geneva

Querelle, 2016Bronze, Seil / Courtesy the artist

Querelle, 2016
Bronze, Seil / Courtesy the artist

What Is She Thinking?, 2015Keramik, Aluminium / Fonds cantonal dʼart contemporain, Geneva

What Is She Thinking?, 2015
Keramik, Aluminium / Fonds cantonal dʼart contemporain, Geneva

What Are You Going to Do About It?, 2017 / Go Fuck Yourself, 2017Bronze / Edition 1/3 + II AP / Private collection, UK / Foto: Lea Kunz

What Are You Going to Do About It?, 2017 / Go Fuck Yourself, 2017
Bronze / Edition 1/3 + II AP / Private collection, UK / Foto: Lea Kunz

Spider Ladies (Maggie II), 2015Pappmaché, Kleidung, Wollfäden, Holz / Courtesy the artist

Spider Ladies (Maggie II), 2015
Pappmaché, Kleidung, Wollfäden, Holz / Courtesy the artist

The Pony, 2004Gebürstetes Aluminium / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

The Pony, 2004
Gebürstetes Aluminium / courtesy the artist / Foto: Lea Kunz

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