Das Tanzkollektiv dance me to the end und die Ausserrhoder Kulturpreisträgerin 2024 Gisa Frank untersuchten den Raum mit ihren Körpern und loteten das Verhältnis von Menschen und Architektur aus. In verschiedenen Improvisationsformaten wurde in den Räumen der Kunsthalle zu Körper und Bewegung im Raum geforscht. Im Zentrum stand die Vielschichtigkeit der sensorischen und sinnlichen Wahrnehmung, die unmittelbare Präsenz im Tanz, das Erleben von Körperinnen-, -um- und -aussenräumen bis hin zur Körperarchitektur. Wie beeinflussen die Räume der Kunsthalle die Bewegung? Welche Spuren hinterlassen Bewegung, Klang und Präsenz im Raum, in der Erinnerung und beim Publikum? Solchen Fragen gingen die Tänzerinnen und Tänzer in ihren Tanzlaboren nach.
Zunächst recherchierten die Tanzschaffenden vor allem in den neuen, weissen Räumen der Kunsthalle, fotografisch begleitet von Martin Benz. In den Ausstellungsräumen blieben fotografische Spuren der Untersuchung zurück.
In einer nächsten Etappe forschte das Kollektiv in unterschiedlichen Improvisationsformaten mit eingeladenen Gästen, Tanzschaffende aus der Region, namentlich mit: Marco Santi (ehemaliger Leiter des Tanzensemble des Theaters St. Gallen), Ursula Sabatin (langjährige Tanzschaffende aus dem Vorarlberg), Léa Thomen (junge Tanzschaffende aus dem Thurgau). Dazu kamen die Improvisationen des Musikers Patrick Kessler. Sie nahmen zusätzlich Raum ein und inspirierten das neue zusammengesetzte Tanzensemble in seiner Bewegungssprache.
Im Juli fanden vier Gruppenperformances mit Live-Musik der Cellistin Lorena Dorizzi und einer fotografischen Spur von Ueli Alder statt. Jeder der sieben Tanzprofis setzte sich mit einem Ort im alten Teil des Gebäudes auseinander und näherte sich mit Körper und Bewegung der Beschaffenheit von Materialien, den Formen der Architektur zu. Sie übersetzten und erweiterten die Körpersprache und wandten sich dem Charakter des Gebäudes zu – zunächst vorsichtig, dann immer entschiedener.
«Haut auf Holz, Fingerkuppen auf Ziegelsteinen, Fusssohlen auf Metall. Den Rücken an Bruchsteine gelehnt, den Blick in Nischen gelenkt, Beine gegen Beton gestemmt, Säulen umarmt. […] Impulse und Fragestellungen zogen sie aus dem Referat des Baukulturforschers Ulrich Vogt: Samstagmittag hatte er eingeladen zu einer «antropomorphen» Führung durch das Gebäude, das seit 2004 ein Mehrsparten-Kulturhaus ist. In seinen bildhaften Erklärungen erfuhren die Tänzerinnen von den vertikalen und horizontalen Kräften, die in einem Gebäude wirken, von den Spannungen und vom Druck und wie Ingenieure Gewölbe, Decken und Brücken konstruieren. Seine erklärende Gestik und «Bau-figuren» tauchten in den Bewegungen wieder auf. Die Fragen der Architektur sind einfach – wie im Leben: Oberflächen oder Volumen, Haut oder Skelett, Form, Konstruktion, Material, Licht, Atmosphäre – und ohne den Begriff esoterisch zu meinen: Was ist das Wesen eines Gebäudes? Die Tänzerinnen formten daraus Bewegung, zunächst individuell, während das Publikum von einer zur anderen schlenderte – wie man es im Museum macht. In den vier gemeinsamen Performance-Sequenzen bildeten sie die Kräfte ab, von denen sie gehört haben: Stützen und Getragenwerden, Leere, Begrenzung, Zug und Druck, Spannkraft und Widerstand, Übergänge, Oberflächen. Die einen beschreiben die Architektur als luftig, die anderen als schwer oder bedrückend. Alle fühlten sich von den narrativen Celloklängen getragen, wie sie zum Schluss im Austausch mit den Zusehenden erzählten. «Sie öffnete den Raum.» Die Musikerin vertonte perkussiv, melodiös, singend und zirpend ihre eigenen Empfindungen und reagierte auf die Bewegungen der Tanzenden.»
[…] «Das Publikum war angetan von der Individualität der reifen Tänzerinnen und «dem stimmigen Ganzen», wie eine Zuschauerin sagte. Sie spürte die «starke Innerlichkeit der Tanzenden und die Suche nach Stabilität», formulierte eine andere – zum Beispiel im Anlehnen an und Umklammern von grob behauenen Balken oder im Balancieren auf dem Eisengeländer auf dem Ringofen. Sie spürte das Spannungsfeld zwischen Statik und Verletzlichkeit. «Das Gebäude wurde für mich zu einem Körper. Mein Körper wurde zum eigenen Gebäude», beschrieb eine Tänzerin. Fotograf «Ueli Alder hat ein Bilder-Spur zum Kapitel «Körper im Raum II» angelegt, die auf einem Bildschirm nachverfolgt werden kann.» (Monica Dörig)
Insgesamt fanden 7 Labore in unterschiedlicher Besetzung statt.
Die offenen, bewegten Experimentierfelder im Kunstraum möchte das Kollektiv weiterführen und -entwickeln. In weiteren Kantonen mit unterschiedlichsten Kunstschaffenden.